Genau genommen ist der Begriff «Paleo-Diät» falsch, denn es handelt sich nicht um eine kurzfristige Ernährungsumstellung zur Gewichtsabnahme, sondern um einen andauernden Lifestyle. Dieser zielt darauf, dass Frauen und Männer sich von den verarbeiteten Lebensmitteln des modernen Alltags abwenden und wieder ursprünglich ernähren, also ähnliche Lebensmittel zu sich nehmen wie ihre Vorfahren aus der Steinzeit. Laut Annahmen der Verfechter sind dies erjagte Nahrungsmittel wie Fisch und Fleisch sowie Gesammeltes, darunter Pilze, Obst, Gemüse und Eier.
Was ist die Paleo-Diät?
Bekannt wurde die Paleo-Diät im Jahr 1975 durch Walter L. Voegtlin, der in seinem Buch davon ausgeht, dass sich das menschliche Erbgut seit der Steinzeit nicht verändert hat. In dieser Zeit habe sich der Mensch perfekt an die zur Verfügung stehenden Nahrungsquellen angepasst, weshalb sie als «artgerechte» Nahrung gelten können. Dennoch betonen die Verfechter der Steinzeitdiät, dass es bei ihrer Ernährung nicht darum gehe, das Leben unserer Vorfahren zu imitieren. Der Vergleich diene viel mehr als Metapher für eine natürliche Ernährung ohne verarbeitete Lebensmittel. Produkte wie Würste oder Weizen, die aus der späteren Viehzucht und dem Ackerbau entstanden sind, seien nämlich Hauptursachen für gesundheitliche Störungen und Erkrankungen.
So funktioniert die Paleo-Diät
Wer sich nach der Paleo-Diät ernährt, darf unbeschwert essen, was in der Steinzeit gejagt und gesammelt wurde. Dazu zählen:
- Fleisch, Fisch und Eier
- Gemüse und Obst, v.a. Beeren
- Pilze
- Nüsse und Samen
Als Fettquellen werden Pflanzenfette wie Kokosöl, Olivenöl und Avocado-Öl herangezogen und gewürzt wird mit unverarbeiteten Kräutern. Obwohl Paleo-Anhänger grösstenteils auf Zucker verzichten, wird gelegentlich mit Honig oder Ahornsirup gesüsst.
Die Liste der verbotenen Nahrungsmittel beziehungsweise denjenigen, welche es in der Steinzeit noch nicht gab, ist sehr umfangreich, weshalb die Ernährungsweise Einsteigern oft Mühe bereitet:
- Getreideprodukte wie Brot oder Teigwaren, da angenommen wird, dass die enthaltenen Gluten, Lektine oder Phytate den Darm entzünden und so dem Organismus schaden können. Ausserdem seien leicht verwertbare Kohlenhydrate für Müdigkeit, Übergewicht und Krankheiten verantwortlich.
- Milchprodukte, da sie für das Kalb bestimmte Hormone enthalten können und wegen der enthaltenen Lactose (Milchzucker) vielen Organismen schlecht bekommen.
- Industriell verarbeitetes Fleisch wie Würste oder Hamburger, da es oft Geschmacksverstärker, Antibiotika, Hormone und Zucker enthalte.
- Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen, weil sie ähnlich wie Getreide schädliche Lektine und Phytate enthalten.
- Zucker, da er den Insulinspiegel stark beeinflussen und Krankheiten wie Diabetes fördern kann. Auch künstliche Süssstoffe und zuckerhaltige Getränke sollten vermieden werden.
- Raffinierte Öle und Fette wie Sonnenblumenöl oder Margarine, da ihr Fettsäureverhältnis suboptimal ist und sie oft stark verarbeitet wurden.
Abnehmen mit der Paleo-Diät
Wer sich für eine Ernährung nach strikten Paleo-Regeln entscheidet, fühlt sich zu Beginn wahrscheinlich etwas seltsam. Kein Wunder, schliesslich ist es eine grosse Umstellung, plötzlich auf Kohlenhydrate und Zucker zu verzichten. Es wird sogar von einem «Carb-Kater» gesprochen, der in dieser Zeit gekoppelt mit Heisshunger auftauchen kann. Als positiven Nebeneffekt bemerken jedoch viele Frauen und Männer relativ schnell einen Gewichtsverlust. Bei den abgenommenen Kilos handelt es sich laut den Verfechtern der Diät nicht um Muskelmasse, sondern um Fett. Dies lässt sich damit erklären, dass der Körper durch den Verzicht auf Kohlenhydrate und die erhöhte Zufuhr von Eiweiss für die Gewinnung seiner Energie auf Fettdepos zurückgreift. Da es sich bei Paleo nicht um eine Diät, sondern um eine dauerhafte Umstellung handelt, verringert sich die Wahrscheinlichkeit auf einen Jojo-Effekt. Nichtsdestotrotz können auch erlaubte Nahrungsmittel, so beispielsweise Nüsse oder viel Fruchtzucker, negativ ins Gewicht fallen.
Kritik und Beurteilung der Paleo-Diät
Grundsätzlich verfügt die Paleo-Diät über viele gute Ansätze, so beispielsweise regelmässigen Konsum von frischem Gemüse, Früchten sowie hochwertigen Fettquellen. Wer seine Ernährung auf Dauer an die strengen Richtlinien anpassen will, braucht jedoch viel Disziplin. Gerade diese fehlt oft. Erschwerend kommt hinzu, dass der plötzliche Verzicht auf Kohlenhydrate und Zucker mit jahrelangen Gewohnheiten bricht. Mit Kohlenhydraten eine der Hauptnährstoffquellen zu vermeiden, kann leider schnell zu einseitigen Menükompositionen führen. Auch erfordert die Ernährungsumstellung einen gewissen Grad an Kreativität beim Ausprobieren neuer Rezepte. So können Sie morgens beispielsweise weder auf Brot noch auf Müesli zurückgreifen. Der erhöhte Verzehr von Fisch und Fleisch kann in Bezug auf die Umwelt ebenfalls kritisiert werden und sich schlecht auf die Gesundheit auswirken.
Auch auf Seiten der Wissenschaft wurde die Paleo-Ernährung vielfach kritisiert. So umfasst die Steinzeit einen riesigen Zeitraum, für den kaum eine einzige Ernährungsweise festzumachen ist. Die Aussagen, dass es sich bei der “ursprünglichen” Ernährungsweise um die gesündeste handelt und dass sich das menschliche Erbgut in der Zwischenzeit nicht verändert hat, sind wissenschaftlich nicht haltbar. Wer sich dennoch für die Paleo-Ernährung entscheidet, sollte sich eingehend damit befassen, um eine Fehl- oder Mangelernährung zu verhindern. Es nützt nämlich nichts, wenn Sie im Zuge eines Gewichtsverlusts zwar auf Käse und Teigwaren verzichten, dafür aber fettiges Fleisch und haufenweise Nüsse essen.
Claudia Müller, dipl. Ernährungsberaterin HF und Jasmine Helbling, Redaktorin, eBalance.ch