Rohkost-Diät: Wie gesund ist das (f)rohe Schlemmen?

12. May 2023

, Nora Berger

«Eat the rainbow» – also «Iss den Regenbogen» – heisst es gerne, wenn es um eine ausgewogene, vitamin- und nährstoffreiche Ernährung geht. Bunt, frisch und knackig – auf den ersten Blick scheint die Rohkost-Diät dafür genau das Richtige zu sein … Kritiker zweifeln jedoch an den vermeintlichen Vorteilen. eBalance hat sich die rohköstliche Ernährungsform einmal genauer angeschaut.

Inhaltsverzeichnis

Gekochtes, Frittiertes, Gebackenes – das alles kommt Rohköstlern nicht auf den Teller. Natürlich, unverarbeitet und vor allem nicht erhitzt lautet hier das Credo. Denn nur so bleiben, laut Freunden der Rohkost-Diät, die wertvollen Vitamine (insbesondere das temperaturempfindliche Vitamin C), Enzyme, Spurenelemente sowie die Mineral- und sekundären Pflanzenstoffe in den Lebensmitteln erhalten. Hitze über 42 Grad führt angeblich dazu, dass Schadstoffe entstehen, die Krankheiten und allergische Reaktionen begünstigen können.

Was gehört alles zur Rohkost?

Rohkost ist dabei durchaus mehr als Karottensticks und Gurkenscheiben – neben Gemüse sorgen frisches Obst, unverarbeitete Nüsse, Kerne und Samen, kaltgepresste Öle, gekeimte Hülsenfrüchte, Rohmilchprodukte oder auch Fleisch und Fisch in roher Form (z. B. Carpaccio oder Sushi) für Abwechslung auf dem Speiseplan. Aber egal, ob die Rohkost-Ernährung vegan, vegetarisch, pescetarisch oder omnivor («Allesfresser») ausfällt: Teigwaren, Tofu und herkömmliche Süssigkeiten sind hier tabu.  

Kann man mit Rohkost abnehmen?

Kaum Kalorien, viel Volumen. Knackiges Gemüse und frische Früchte fördern nicht nur bewusstes Kauen und achtsames Essenstempo – aufgrund des hohen Wasser- und Ballaststoffgehalts füllen pflanzliche Lebensmittel hungrige Bäuche und halten länger satt. Wer gründlich kaut, kurbelt ausserdem ordentlich die Verdauung an. 

Keine gebackenen Kekse, Kartoffeln oder konventionelle Getreideprodukte: Bei der Rohkost-Diät wird auf viele besonders energiedichte Lebensmittel verzichtet, was die Pfunde durchaus zum Purzeln bringen kann. Wie immer gilt allerdings: Nur, wer mehr Energie verbraucht, als er oder sie über den Tag verteilt zu sich nimmt, verliert über kurz oder lang an Gewicht.  

Nährstoffmangel und Untergewicht: Nachteile der Rohkost-Diät

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) stellte in einer Ausgabe ihrer Zeitschrift für Ernährung fest, dass eine Rohkost-Ernährung mit tierischen sowie pflanzlichen Produkten durchaus bedarfsdeckend sein kann, sprich den Körper mit allen lebenswichtigen Mikro- und Makronährstoffen versorgt. Die Gießener Rohkoststudie widerspricht dieser Annahme. 

Vitaminmangel und ausbleibende Monatsblutung

Die von 1996 bis 1998 durchgeführte Untersuchung der Justus-Liebig-Universität Gießen gilt als bekannteste Kritik an der Rohkost-Diät. Bei den Teilnehmenden handelte es sich um Männer und Frauen zwischen 25 und 64 Jahren, die sich seit mindestens 14 Monaten «roh» ernährten. In Blutuntersuchungen von rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stellte sich heraus, dass die Vitamine C, B1 und B6 sowie Antioxidantien, Beta-Carotin, Folsäure und Selen wohl überdurchschnittlich vertreten waren – in den meisten Fällen lag allerdings ein ernsthafter Mangel von Vitamin D, Vitamin B12, Calcium, Iod, Zink und Eisen vor. 

Zwar war nur ein Prozent der Teilnehmenden übergewichtig, dafür litt mehr als die Hälfte an Untergewicht: Die betroffenen Personen hatten, unabhängig vom Anfangsgewicht, zwischen sechs und acht Kilogramm Körpergewicht verloren. Die Hälfte der Frauen unter 45 Jahren, die sich ausschliesslich von Rohkost ernährten, hatte entweder eine unregelmässige Periode oder gar keine Menstruation mehr. 

Warme Mahlzeiten sind wichtig fürs Wohlbefinden 

Durch eine Fehl- oder Mangelernährung kann es häufig zu Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit kommen. Des Weiteren gibt es keinen Grund, ein schonendes Erhitzen von Nahrungsmitteln zu verteufeln: So können durch den Verzehr von ungekochter Kost nicht alle Nährstoffe vom Körper aufgenommen werden. Einige Vitamine, wie Vitamin A und E, lassen sich beispielsweise erst durch das Erhitzen besser verwerten, vornehmlich dann, wenn sie mit einer Fettquelle verzehrt werden. Das Beta-Carotin in Rübli oder das Lykopin in Tomaten werden durch das Kochen überhaupt erst für den Körper verfügbar. 

Auch kann das Erhitzen Nahrungsmittel in vielen Fällen von Keimen befreien, Infektionen verhindern oder gar erst geniessbar machen: So steckt etwa in rohen Kartoffeln der Bitterstoff Solanin, während ungekochte Bohnen den schädlichen Pflanzenstoff Lektin enthalten. Garen, Dünsten oder Kochen macht somit viele Lebensmittel bekömmlicher – der Magen-Darm-Trakt dankt. 

Auch die Quintessenz der Gießener Rohkoststudie war letztlich, dass eine reine Rohkosternährung nicht zu empfehlen sei.

Fazit: Wie viel Rohkost ist denn nun gesund?

Die Gesundheitsförderungskampagne „5 am Tag“ empfiehlt, täglich zwei Portionen Früchte und drei Portionen Gemüse zu geniessen. Eine Portion entspricht dabei in etwa einer Handvoll, was je nach Altersklasse ganz automatisch die passende Menge ergibt. Bei zerkleinertem oder tiefgekühltem Gemüse (wie z. B. Brokkoli), kleinen Beerenfrüchten (wie z. B. Himbeeren) oder Salat gleicht eine Portion zwei zu einer Schale geformten Händen. Grundsätzlich gilt: Die Mischung macht’s. Die Hälfte der Lebensmittel kann durchaus roh verzehrt werden, z. B. als Beilagensalat, Snack in der Lunchbox oder als fruchtig-frischer Smoothie. Beim Rest wird empfohlen, diesen gedünstet bis gekocht zu verzehren. 

Wer sich an den „5 am Tag“-Ratschlag hält, ist im besten Fall ausreichend mit den notwendigen Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Nahrungsfasern und sekundären Pflanzenstoffen versorgt. Ein angemessener Gemüse- und Früchtekonsum kann dazu beitragen, das Risiko einer Krebserkrankung sowie eines hohen Blutdrucks, koronarer Herzerkrankungen oder auch Schlaganfällen zu senken. 

Obst und vor allem Gemüse sollten daher in roher wie gedünsteter Form ihren festen Platz auf dem Speiseplan haben – neben gesunden Fetten sowie reichlich Eiweiss und genügend komplexen Kohlenhydraten. 

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