Der Schneidermeister traute seinen Augen kaum, als ihm Margreth Probst Beyeler ihre Musikuniform zum Anpassen ins Geschäft brachte. Das könne doch nicht ihre sein, meinte der Mann. Jacke und Hose seien ihr etliche Nummern zu gross.
Tatsächlich versank die Hobby-Klarinettistin aus dem bernischen Koppigen fast in der Montur: Sie hatte während der vorangegangenen Monate 16 Kilo abgenommen. «Dass der Schneider meine körperliche Veränderung mit bewunderndem Erstaunen quittierte, freute mich unheimlich», sagt die 53-Jährige.
Margreth Probst Beyelers Tipps
- Mit der Aufschieberei aufhören und sich selber nicht beschummeln. Dann muss man gar nicht viel umstellen.
- Es gibt keinen Grund, im Winter keinen Sport zu treiben. Spaziergänge im Schnee sind sehr gesund und effektiv. Jetzt vor Weihnachten ist es zudem wunderschön, den Adventsfenstern im Quartier oder im Dorf nachzugehen.
- Dazu stehen, wenn man sich etwas Süsses oder einen Snack gönnt. Dann hängt es auch nicht an.
Unter der Körperfülle gelitten
Auch sonst bekommt sie viele Komplimente – von ihrem Mann und aus ihrem Freundes- und Kollegenkreis. Es kommt jedoch mitunter vor, dass eine andere Frau sie stillschweigend von oben bis unten mustert. Anfänglich störte sie das, heute bucht sie es «als puren Neid» ab. Denn so wie ihre Kilo schwanden, ist ihr Selbstvertrauen gewachsen.
«Ich fühle mich wie von einer Last befreit», sagt sie. «Früher taten mir oft Schultern oder Rücken weh. Wegen meiner grossen Oberweite wurde ich im Gedränge auch immer wieder unabsichtlich touchiert. Das war mir schrecklich unangenehm.» Nicht zuletzt habe sie immer die lustige, nette und hilfsbereite Dicke gespielt, um gemocht zu werden. «Ich wagte nicht, nein zu sagen.»
Jetzt oder nie
Bewusst eingestehen kann sie sich das alles freilich erst jetzt. Früher verdrängte sie ihre negativen Gefühle. Sie wusste auch ihre Fülle gut zu verstecken – mit schönen Blusen und Röcken, die selbst in grossen Grössen gut kleideten. «Ich habe mich schlicht selber betrogen», sagt sie.
Erst als sie ein übersäuerter Magen und Kolliken plagten, der Arzt einen Gallenstein diagnostizierte und diesen auf ihr Übergewicht zurückführte, konnte Margreth Probst Beyeler nicht länger wegschauen. «Wenn du jetzt nicht abnimmst, dann machst du es nie», sagte sie sich. Ein glücklicher Zufall, dass sie im Magazin des Spitals einen Beitrag über eBalance.ch entdeckte.
Sich beim Abnehmen selber coachen
«Das Programm war wie auf mich zugeschnitten», so die Personalberaterin, die damals eine Zusatzausbildung als Coach absolvierte. Im Online-Tagebuch einzutragen, was man esse und wie viel man sich bewege, und das eigene Kalorienguthaben einzuhalten erfordere zwar «viel Selbstdisziplin». Dafür müsse man den Alltag nicht wie bei vielen Diäten nach strikten Regeln ausrichten. «Man bestimmt selber, wie man das Abnehmen angehen will.»
Sie fand bald heraus, wo sie ansetzen konnte. Etwa bei den gekauften Sandwiches, die sie mittags im Büro verdrückte; den rasch mit etwas Käse überbackenen Teigwaren, die abends oft auf den Tisch kamen; bei der Grösse der Portionen. Besonders schlimm für die Linie seien aber die regelmässigen Wochenendbesuche bei ihrer verwitweten Mutter gewesen, so Margreth Probst Beyeler. «Sie war Bäuerin, schon am Sonntagmorgen servierte sie Rösti mit Speck und zwei Bratwürsten für jeden, den Kartoffelstock reicherte sie mit viel Rahm und Butter an.»
Öl nur noch kaffeelöffelweise
Seit die betagte Frau im Altersheim lebt, fallen die liebevoll zubereiteten, aber deftigen Schlemmereien automatisch weg. Zuhause hat Margreth Probst Beyeler den Menuplan hingegen aus Eigeninitiative verändert. Sie kocht öfters Gemüse und seltener, dafür qualitativ besseres Fleisch, das Fett dosiert sie mit dem Kaffeelöffel, geschöpft wird nur noch einmal, Reste kommen in die Lunch-Box fürs Büro. Sandwiches bereitet sie selber zu, mit Vollkornbrot, Mostbröckli und Rüebli. Sie kocht auch gerne nach eBalance-Rezepten, etwa den Currypouletsalat und «die super feine Apfelpizza».
Obwohl sie viel weniger esse, habe sie «nie mit Hunger zu kämpfen», sagt sie. Ihr Trick: «Ich geniesse jeden Bissen und lege zwischendurch das Besteck bewusst ab. Am Ende der Mahlzeiten fühle ich mit deshalb immer sehr satt.» Und kommt zwischendurch doch mal ein kleiner «Gluscht» auf, wirkt ein zuckerfreier Grüntee-Jasmin-Kaugummi Wunder. Ab und an darf es auch ein Schöggeli sein.
Die «Aufschieberitis» kurieren
Von der leichteren, gesünderen und vielseitigeren Kost liess sich auch ihr Mann begeistern – er verlor dadurch wie nebenbei fast 10 Kilo. «Ich war überrascht, wie einfach es ging, bei ihm und bei mir», sagt Margreth Probst Beyeler. Wobei dem Ehepaar auch zugute kam, dass beide gerne Sport treiben. «Ich bin schon immer Velo gefahren, früher war ich auch im Schwimmclub», sagt sie. Allerdings leide sie unter der «Aufschieberitis».
Aus diesem Grund hat sie sich mit ihrer Schwester und einer Freundin zusammengeschlossen. «Wenn man mit anderen abmacht, kann man weniger kneifen.» Gemeinsam geht das Trio drei Mal pro Woche zum Nordic Walking, Velofahren oder Schwimmen – und im Winter zum Aquafit ins Hallenbad. Das Training zahlt sich aus: Im Sommer bezwang Margreth Probst Beyeler mit ihrem Mann pedalend den Gotthard- und den Grimselpass.
Keine Angst vor der Weihnachtszeit
Weil sich mit Bewegung Kalorien kompensieren lassen, hat Margreth Probst Beyeler auch Weihnachten 2012 problemlos überstanden und vor den bevorstehenden Festtagen keine Angst. «Wenn ich etwas mehr Sport mache, muss ich bei Einladungen nie sagen, oh, davon darf ich nichts mehr nehmen. Deshalb merkt gar niemand, dass ich am Abnehmen bin.»
Auch während den Skiferien im Hotel lässt sie es sich gutgehen. «Falls die Waage danach wieder etwas mehr anzeigt, brauche ich micht nicht verrückt zu machen. Das bringe ich rasch wieder weg.» Gelassen nimmt sie auch zur Kenntnis, dass ihr Gewicht derzeit bei 71,5 Kilo stagniert. «Irgendwann wird es weitergehen und die erste Ziffer auf der Waage eine 6 sein.»
Mehr Lebensqualität
Einziger Wermutstropfen: Durch die starke Gewichtsreduktion «ist meine Haut nicht mehr straff», sagt Margreth Probst Beyeler. Was sie gewonnen habe, wiege das aber längstens auf. «Meine Lebensqualität und Lebensfreude ist viel grösser geworden».
Dazu gehört nebst dem guten Körpergefühl auch die Tatsache, dass sie jetzt in jedem Kleidergeschäft etwas vom Gestell nehmen und anziehen kann. «Allein das macht sehr viel Spass.»
Jolanda Lucchini, 12.2013
Hinweis: Alle Fotos sind Originalaufnahmen und wurden nicht mit Softwareprogrammen bearbeitet. Die darauf abgebildeten Personen haben ihr schriftliches Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben. Beachten Sie, dass eine Gewichtsabnahme individuell verläuft und nicht im Einzelfall vorhergesagt werden kann.